Julia ( 13 J.) und Moritz ( 21 J.) - zwei junge Menschen mit Down-Syndrom im Gespräch mit Hebammenschülerinnen.

Gießen/Wetteraukreis: Vierte Informationsveranstaltung der "Familiengruppe Down-Syndrom in der Wetterau" an der Hebammenschule der Universität Gießen.

Moritz und Julia mit angehenden Hebammen

Noch immer ist es in der Öffentlichkeit wenig bekannt, dass werdende Mütter angesichts der vorgeburtlichen Diagnose "Down-Syndrom" sich in mehr als 90% der Fälle entscheiden, das Kind nicht auszutragen. Dies ist in der Regel mit schweren inneren Konflikten verbunden, bedingt durch das, was möglicherweise an Belastungen mit einem behinderten Kind auf einen zukommen könne und löst starke oft irrationelle Ängste aus.

Auch kommt es vor, dass eine junge Mutter erst kurz nach der Geburt erfährt, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom geboren hat. So stehen die Eltern plötzlich vor einer Situation, die sie verwirrt, erschreckt und zum Teil völlig überfordert. Auch das umstehende Klinikpersonal "Ärzte, Schwestern, Hebammen" verhält sich oft ratlos und ungeschickt. Soll man einer Mutter mit einem behinderten Kind zu dessen Geburt gratulieren? Da schaut man lieber verlegen in eine andere Richtung. Und eine hilfreiche Unterstützung, die in diesem Moment nötig wäre, fällt aus.

Obwohl sich in den letzten Jahren viel getan hat, z.B. durch aufklärende Filme im Fernsehen, erleben Eltern von Kindern mit Down-Syndrom, dass es noch viel Unkenntnis und falsche Vorstellungen über diese liebenswerten Menschen gibt. Das liegt vor allem daran, dass vorwiegend über ihre gesundheitlichen und vermeintlich intellektuellen Einschränkungen gesprochen wird. Weniger aber darüber, wie kreativ, musikalisch und sozial kompetent viele Menschen mit Down-Syndrom sind, ja dass viele Eltern darüber berichten, dass das Leben mit ihren Kindern eine große, eine einmalige Bereicherung ist. Die Familiengruppe Down-Syndrom möchte hier eine Hilfestellung geben. Aus diesem Grund besucht die Familiengruppe seit nunmehr vier Jahren Schülerinnen der Hebammenschule in Gießen. Eine wichtige Idee war es vor allen Dingen dabei nicht nur theoretisches Wissen an die Hebammen zu vermitteln, sondern durch eine wirkliche Begegnung mit zwei jungen Menschen mit Down-Syndrom den Schülerinnen eine lebendige Vorstellung zu geben, wie es sein kann mit dem Down-Syndrom zu leben.

Es entstand ein lebhaftes Zwiegespräch zwischen den Schülerinnen und Julia und Moritz (beide haben das Down-Syndrom) über ihre Wünsche, Erfahrungen, ihren Alltag und vieles mehr. Ergänzt wurde das Gespräch durch die Beiträge der Eltern die auch mitgekommen waren. Aus den überaus positiven Reaktionen der Schülerinnen darf man entnehmen, dass diese Art der Weiterbildung auch für andere Berufsgruppen wie Ärzte oder Krankenschwestern oder Fachleute aus dem sozialen Bereich eine willkommene Ergänzung ihres Wissens sein könnte. Es entstand die Idee in ähnlicher Form eine solche Informationsveranstaltung anzubieten. Interessenten können sich gerne an die Familiengruppe Down-Syndrom wenden (www.down-syndrom-info.de) oder Erich Scheurmann, erich.scheurmann@gmx.de

Erich Scheurmann und Moritz Reiners --- Anfragen unter: erich.scheurmann@gmx.de

2011: Unser dritter Besuch bei der Hebammenschule in Gießen:

Moritz und Erich Scheurmann Am 06. 12. 2011 waren mein Sohn Moritz (18 Jahre, DS) und ich( Erich Scheurmann, Vater von Moritz) wieder einmal bei der Hebammenschule in Giessen zu zwei Unterrichtsstunden zum Thema Down-Syndrom eingeladen.

Zur Einstimmung wurde Moritz' YouTube-Film (Moritz singt Phil Collins) vorgeführt und anschließend von den 22 Schülerinnen im zweiten Ausbildungsjahr über seine Hobbies und Vorlieben befragt. Moritz stellte sich stolz vor: Ich bin ein Mann mit Down-Syndrom. Er vergaß auch nicht zu erwähnen, dass er gerade vor einer Woche 18 geworden war. Darauf wurde er noch nachträglich mit einem Geburtstagslied von den Schülerinnen belohnt.

Eingedenk der Erfahrungen, die ich auf dem letzten Down-Syndrom-Kongress in Köln in einem Seminar über Pränataldiagnostik gemacht hatte, konzentrierte ich mich diesmal in meinem Referat ganz auf die Frage: Welche stützende , tragende Rolle kann die Hebamme in diesen sensiblen manchmal traumatisch erlebten Augenblicken, da ein Kind mit Down-Syndrom geboren wird, übernehmen. Viele Frauen berichten über sehr negative Erfahrungen, mit gefühllosen Ärzten, hilflosen Schwestern, verwirrten Hebammen.

Die Hebammenschülerinnen in diesem Kurs hatten schon an bis zu 30 Geburten teilgenommen und zwei sogar an Geburten von Kindern mit DS. Alle nahmen sehr intensiv an der Disakussion zum Thema teil. Sie hatten sich wohl auch schon vorher damit befasst. Um sich jedoch noch konkreter mit dem Thema zu befassen, ließ ich sie Dreier- und Vierergruppen bilden mit dem Auftrag, findet heraus: Was könnte ich sagen? Was könnte ich tun? Was sollte ich besser lassen ? Wir waren uns zum Schluss einig, dass es keine Patentlösung für ein richtiges Verhalten gibt, da jede Situation anders ist. Und vor allem muss die junge Hebamme selbst ihre Einstellung zu Behinderung genau kennen. Wie würde sie als werdende Mutter fühlen. Und selbst, wenn man sich mal ungeschickt verhält, sollte man sich selbst den Fehler eingestehen und versuchen ,es wieder gut zu machen.

Ich selbst musste mir in dieser Diskussion natürlich immer wieder bewusst machen, dass ich als Mann nie ganz die Nähe zu diesem Thema haben kann, wie eben eine Frau, die vielleicht schon geboren hat oder vielleicht bald selbst schwanger ist. Als Konsequenz haben wir uns mit der Leiterin der Schule überlegt, dass nächstes Mal auch meine Frau mit kommt zum Unterricht.

Moritz und Hebammen Abschließend sprachen wir noch über Pränataldiagnostik. Den Schülerinnen war nicht bekannt, dass es (wie in mehreren wissenschaftlichen Studien festgestellt) bei einem positiven Befund von DS in mehr als 90% der Fälle zu einem Abbruch kommt. Auch über den neuen Bluttest war noch nichts bekannt. Es wird immer weniger Menschen mit Down-Syndrom geben. Das halte ich für einen Verlust für uns alle! Das war mein abschließendes Bekenntnis.

Moritz verteilte zum Abschluss noch das von uns mitgebrachte umfangreiche Infomaterial.

2008: Besuch bei der Hebammenschule in Gießen

Moritz, 15 Jahre Am 03.12.08 habe ich mit meinem Sohn Moritz (15 Jahre,DS) einen Vortrag vor etwa 20 Hebammenschülerinnen an der Universitätsklinik in Giessen gehalten. Moritz hat zunächst sehr lebendig über sich und über seine Hobbies berichtet und Fragen der Schülerinnen beantwortet.

Erich Scheurmann In meinem Beitrag habe ich versucht , die wichtige Rolle zu veranschaulichen, die einer Hebamme bei der Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom -besonders wenn diese unerwartet ist -zufallen kann. Die Ärzte haben oft nicht die Zeit oder die Sensibilität, die Mütter in diesen ersten Stunden angemessen zu unterstützen, ihnen über den ersten Schock hinweg zu helfen. Die Hebamme soll in dieser Situation weder dramatisieren noch bagatellisieren. Sie sollte unterstützend gegenwärtig sein und sachlich informieren können. Am Beispiel des Stillens lies sich zeigen, wie wichtig es ist, über die Besonderheiten von Kindern mit DS Bescheid zu wissen und wie sich damit zugleich die emotionale Annahme des Kindes fördern lässt. Weiter wurde über Pränatal-Diagnostik gesprochen, sowie über die häufigsten gesundheitlichen Einschränkungen, die bei Down-Syndrom vorkommen können.

Moritz in Napoleon-Pose Die jungen Frauen nahmen sehr interessiert an unserer Diskussion teil. Der Kenntnisstand war sehr unterschiedlich. Einige fragten , woher der Ausdruck Down-Syndrom wohl komme; andere dagegen waren sehr gut informiert und hatten schon selbst Erfahrungen mit Menschen mit DS gemacht. Besonders lebendig wurde die Unterrichtsstunde aber durch die Gegenwart von Moritz. Er bekam zum Abschluss noch einmal einen besonderen Applaus.

Erich Scheurmann --- Anfragen unter: erich.scheurmann@gmx.de